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Künstler-Engagement: alle Regeln beherrschen

Für ausländische Akrobaten beim Betriebsfest muss der Unternehmer Steuern abführen, für Texter oder Grafiker, die Werbung gestalten, Beiträge zur Künstlersozialkasse. Wer diese Vorschriften ignoriert, riskiert teure Konsequenzen.

Autor: Sigrun an der Heiden


Zunächst sorgte die Anfrage der Renten­ver­sicherung bei Hei­de­marie Belaschk für Rat­losigkeit. Die Unternehmerin, die zusam­men mit Mann und Sohn die Fir­ma Rabe Spreewälder Kon­ser­ven GmbH & Co. KG in Lübbe­nau bei Cot­tbus leit­et, sollte dar­legen, ob ihr Betrieb kün­st­lerische Leis­tun­gen in Auf­trag gegeben habe. „Kün­stler beschäfti­gen wir nicht“, war ihre erste Reak­tion, denn das Fam­i­lienun­ternehmen stellt seit vier Gen­er­a­tio­nen Sauerkon­ser­ven sowie Feinkost­pro­duk­te her. „Ich musste mich erst beim Steuer­büro erkundi­gen, was diese Kün­stler­sozial­ab­gabe über­haupt ist“, erk­lärt Belaschk.

Auch Wer­ber sind Kün­stler. Inzwis­chen ken­nt die Unternehmerin sich aus, denn die Prü­fung durch die Renten­ver­sicherung kam den Gurken­pro­duzen­ten teuer zu ste­hen. 1.000 Euro musste die Fir­ma an die in Wil­helmshaven ansäs­sige Kün­stler­sozialka­sse (KSK) zahlen, weil ein Grafik­er damit beauf­tragt wor­den war, für die Ver­pack­un­gen ein neues Etiket­ten­de­sign zu entwer­fen. Seit diesem Vor­fall wird in der Buch­hal­tung jede Rech­nung für kün­st­lerische Leis­tun­gen gemäß Def­i­n­i­tion der KSK notiert, das gesamte dafür gezahlte Hon­o­rar ein­mal jährlich nach Wil­helmshaven gemeldet und die fäl­lige Abgabe über­wiesen. Derzeit sind das 3,9 Prozent des Auftragswerts.

Dass Unwis­senheit nicht vor Strafe schützt, haben wie Hei­de­marie Belaschk bere­its viele Unternehmer erfahren. Darum steigt die Zahl der KSK-Zahler kon­tinuier­lich. Seit die Deutsche Renten­ver­sicherung 2007 für die KSK die Über­prü­fung über­nom­men hat, ob Betriebe für freis­chaf­fende Kün­stler die Abgabe über­weisen, hat sich die Zahl der Mel­dun­gen von 63.000 auf 145.000 gut verdoppelt.

Kein Fir­menchef sollte das The­ma auf die leichte Schul­ter nehmen. Am besten bespricht er es aus­führlich mit einem Steuer­ber­ater. Geht es um die Beschäf­ti­gung von Kün­stlern, liegt der Teufel bei Steuern und Abgaben näm­lich ganz beson­ders im Detail – egal, ob es sich um die KSK han­delt, um Gebühren für Musiknutzung an die Gesellschaft für musikalis­che Auf­führungs- und mech­a­nis­che Vervielfäl­ti­gungsrechte (Gema) oder um Steuerzahlun­gen von Kün­stlern aus dem Aus­land, für die der Auf­tragge­ber haftet, der eine Ver­anstal­tung in Deutsch­land organ­isiert hat. Wer beispiel­sweise den KSK-Frage­bo­gen der Renten­ver­sicherung nicht aus­füllt, muss mit ein­er Betrieb­sprü­fung sowie empfind­lichen Nachzahlun­gen rech­nen. „Die 3.600 Prüfer dür­fen die Kün­stler­sozial­ab­gabe rück­wirk­end für die let­zten fünf Jahre erheben und schätzen, wenn ein Unternehmen keine Angaben macht“, warnt der Kiel­er KSK-Experte und Fach­buchau­tor Andri Jürgensen.

Die KSK greift hart durch. Zur Kasse gebeten wer­den nicht nur klas­sis­che Auf­tragge­ber der Kün­stler und Pub­lizis­ten wie The­ater, Ver­lage oder Gale­rien. Jed­er Betrieb, der Kreative engagiert und ihre Werke für Unternehmen­szwecke nutzt, muss ab dem vierten Auf­trag pro Jahr die Abgabe zahlen. Noch härter trifft es Unternehmen, die regelmäßig Wer­bung oder Öffentlichkeit­sar­beit betreiben und damit Tex­ter, Grafik­er, Design­er oder Fotografen betrauen. Was nun regelmäßig oder – wie das Gesetz sagt – „nicht nur gele­gentlich“ bedeutet, darüber lässt sich stre­it­en, denn es fehlt eine klare Regelung. „Die KSK legt das sehr eng aus“, weiß Joachim Berndt, Pro­fes­sor für Wirtschafts‑, Arbeits- und Sozialver­sicherungsrecht an der Jade Hochschule Wil­helmshaven. „Ein Auf­trag pro Jahr reicht ihr unter Umstän­den, um die Abgabe zu kassieren.“

Unab­hängig von enger Ausle­gung und rigider Prüf­prax­is ist Pro­fes­sor Berndt sich­er, dass Prozesse gegen die Ver­fas­sungsmäßigkeit der KSK-Abgabe wenig Chan­cen haben. Sein­er Mei­n­ung nach gehen Fir­menchefs, die nicht zahlen, sog­ar ein steigen­des Risiko ein: „Nach fünf Jahren Prüf­prax­is kön­nen sie kaum behaupten, sie wüssten nichts von der Abgabepflicht.“

Für die betrof­fe­nen Betriebe hätte das gravierende Fol­gen, wie der Experte sagt: „Gehen die Prüfer davon aus, dass Beiträge vorsät­zlich voren­thal­ten wur­den, ist die Ver­jährung aus­ge­set­zt.“ Die Abgabe wird also nicht für fünf, son­dern rück­wirk­end für zehn oder mehr Jahre fäl­lig – plus sat­ter Säum­niszuschläge. Bei einem Zinssatz von einem Prozent pro Monat auf die geschuldete Summe kann der Ver­such, sich um die Zahlun­gen an die KSK herumzu­drück­en, also ziem­lich teuer werden.

Vor­sicht bei Musiknutzung.Ähn­lich­es gilt beim The­ma Gema. Inzwis­chen sollte jed­er wis­sen, dass die Gesellschaft in Berlin immer kassiert, wenn urhe­ber­rechtlich geschützte Musik­stücke öffentlich aufge­führt oder für unternehmerische Zwecke genutzt wer­den. Das gilt für Betrieb­s­feier und Tag der offe­nen Tür genau­so wie für den Fall, dass Kun­den in der tele­fonis­chen Warteschleife mit Musik bei Laune gehal­ten oder Inter­net­seit­en mit einem Song unter­legt wer­den – und für gemein­nützige Ver­anstal­tun­gen, was viele nicht wis­sen. Gema-Vor­stand­schef Har­ald Hek­er: „Das Gesetz sieht vor, dass auch bei Ver­anstal­tun­gen in Vere­in­sheimen oder dem berühmten Feuer­wehrball für Musik gezahlt wer­den muss. Hier herrscht noch großes Unwissen.“

Unternehmer muss haften.Aber selb­st wenn der Unternehmer den Tag der offe­nen Tür oder das Betrieb­s­fest bei KSK und Gema meldet, dro­ht durch das Engage­ment von Kün­stlern ein weit­eres finanzielles Risiko. Was kaum bekan­nt ist: Auch das Finan­zamt kann Ärg­er machen. Lässt der Unternehmer einen Kün­stler auftreten, der Steuern in Deutsch­land zahlt, ist der Ablauf ein­fach: Der Dien­stleis­ter bekommt ein Hon­o­rar und ver­s­teuert es selb­st. Kom­pliziert wird es für den Fir­menchef, wenn er einen aus­ländis­chen Kün­stler unter Ver­trag nimmt. Sorgt beispiel­sweise ein Clown aus Lux­em­burg für gute Laune, haftet der Auf­tragge­ber dafür, dass der deutsche Fiskus die fäl­lige Steuer bekommt. Was häu­fig wed­er Unternehmer noch Kün­stler wis­sen: Die Besteuerung erfol­gt am Auftrittsort. „Das Unternehmen oder die Agen­tur muss für den aus­ländis­chen Kün­stler die Steuer anmelden, ein­be­hal­ten und ans Finan­zamt abführen“, sagt Experte Andri Jürgensen.

15 Prozent der Brut­to­gage plus Sol­i­dar­ität­szuschlag will der Fiskus. Reisekosten zählen nicht zur Bemes­sungs­grund­lage, falls die Erstat­tung nicht über den ent­stande­nen Aus­gaben liegt. Bei hohen Nebenkosten erlaubt das Finan­zamt für Kün­stler aus der EU und dem Europäis­chen Wirtschaft­sraum (EWR) auch eine Net­tobesteuerung. 30 Prozent des Gewinns sind dann abzuführen. Aufwand, Ärg­er und Risiko bleiben immer beim Veranstalter.

Ab 250 Euro fällt Steuer an.Anna Münz­er, zuständig für finanzielle und steuer­liche Belange der Kamp­nagel Inter­na­tionale Kul­tur­fab­rik GmbH in Ham­burg, ken­nt dies aus täglich­er Erfahrung. „Schätzen wir einen steuer­lichen Sachver­halt falsch ein, haften wir fünf Jahre rück­wirk­end für zu wenig gezahlte Steuern aus dem Kün­stleren­gage­ment“, sagt die Fach­frau und kri­tisiert: „Die Geset­zes­lage zwingt Ver­anstal­ter dazu, Steuer­ber­ater für die Kün­stler zu spie­len, und das kön­nen sie gar nicht leis­ten.“ Umso wichtiger ist es daher, dass Unternehmer sich bere­its vor dem Engage­ment aus­ländis­ch­er Kün­stler eng mit ihrem Steuer­ber­ater abstim­men – oder eine Gage von unter 250 Euro pro Per­son und Show zahlen. Die bleibt näm­lich steuerfrei.

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