Erbschaftsteuer: Wettlauf gegen die Zeit
Derzeit genießen Familienbetriebe bei der Nachfolge massive Steuervorteile. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Reform könnte Übergaben aber schon ab Mitte 2015 deutlich verteuern. Wer noch vom alten Recht profitieren will, muss jetzt handeln.
Text: Harald Klein
Weitsichtig planen, geschickt agieren, richtige Entscheidungen konsequent umsetzen – diese Führungsprinzipien ließen die Firma Mack in Fellbach bei Stuttgart über Jahrzehnte eine Erfolgsgeschichte schreiben, inzwischen in der vierten Generation. Die Ernst Mack Fellbach GmbH & Co. KG ist ein Einkaufsparadies für jeden, der sich für Mode und für die niveauvolle Gestaltung von Garten oder Wohnung interessiert. Die Mack Bio-Agrar GmbH stellt Pflanzenschutzmittel auf biologischer Basis her. Derzeit leitet Dieter Henzler die Geschäfte – noch, wie der gelernte Kaufmann und Kraftfahrzeugmeister betont: „Ich habe jetzt mit 60 Jahren ein Alter erreicht, in dem man an die Nachfolge denken muss.“ Auch die rechtzeitige Gestaltung der Übergabe war für die Unternehmerfamilie immer ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Beispiel: So rechnet sich die Schenkung
Bei Erbschaft und Schenkung gilt für Nachfolger der gleiche Steuersatz. Der Fiskus errechnet das Betriebsvermögen nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren aus dem letzten Jahresgewinn. Laut Bewertungsgesetz (§ 202) sind bestimmte Posten hinzuzurechnen oder abzuziehen. Das Ergebnis wird multipliziert mit dem aktuellen Kapitalisierungsfaktor 18,21. So ergibt sich das steuerrelevante Betriebsvermögen. Die detaillierte Berechnung erstellt der Steuerberater. Sehr vereinfacht sähe sie bei der Schenkung für den Nachfolger so aus:
Jahresgewinn | 200.000 € |
mal Kapitalisierungsfaktor 18 | 3.600.000 € |
davon 85 % steuerfrei | 3.060.000 € |
steuerlich also relevant | 540.000 € |
minus persönlicher Freibetrag | 400.000 € |
tatsächlich zu versteuern | 140.000 € |
11 % Schenkungsteuer | 15.400 € |
Planungen schnell realisieren Schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer im Dezember 2014 hatte Henzler die Weichen dafür gestellt, die Betriebe mit 18 Mitarbeitern an seine Söhne weiterzugeben. Die Entscheidung aus Karlsruhe veranlasste ihn, das Vorhaben eher als geplant zu realisieren: „Der drohende Abbau der Steuervorteile hat alles beschleunigt.“
Zunächst wandelte der Firmenchef das Einzelunternehmen Ernst Mack in eine GmbH & Co. KG um, danach übertrug er Philip und Dominik die Firmen in Form einer Schenkung: „Ich wollte sie als Gesellschafter einbinden und das mit der Schenkung kombinieren.“ Von den laufenden Gewinnen bekommen die Söhne aber bis auf Weiteres nur je 25 Prozent. Die andere Hälfte geht an Dieter Henzler und Ehefrau Stefanie. Der Senior bleibt außerdem Geschäftsführer, so lange er kann und will. „Und wir wachsen so immer mehr in die Verantwortung hinein“, freut sich Philip Henzler, der wie sein Bruder derzeit die Hochschule besucht und im Geschäft mitarbeitet, soweit es das Studium zulässt.
Dieter Henzler hat die Zeichen der Zeit erkannt und den Generationswechsel forciert, um den Nachfolgern die geltenden Steuervorteile zu sichern. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss der Gesetzgeber dafür sorgen, dass weniger Familienunternehmen von Ausnahmen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer profitieren. Nach Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn kann das 75.000 kleine und mittlere Betriebe betreffen, die in naher Zukunft einen Nachfolger suchen. Über die Hälfte der Firmen bleiben in der Familie, gehen in der Regel an Sohn oder Tochter. Die genießen bei Erbe oder Schenkung – noch – hohe Steuervorteile, wenn sie etliche, teils komplizierte Voraussetzungen erfüllen. So bleiben im beliebtesten Modell 85 Prozent des Betriebsvermögens steuerfrei. Die Bedingungen: Das Unternehmen darf unter anderem nicht über 50 Prozent sogenanntes Verwaltungsvermögen haben, muss mindestens fünf Jahre fortgeführt werden und – bei über 20 Mitarbeitern – belegen, dass die Arbeitsplätze erhalten wurden.
Sofort alle Optionen prüfen Vor allem die Begünstigung des Betriebsvermögens hält das Bundesverfassungsgericht in mehreren Punkten für grundgesetzwidrig. Es kritisiert besonders, dass große Unternehmen von den Vorteilen profitieren, ohne wirtschaftlich darauf angewiesen zu sein. Zudem seien kleine Betriebe mit bis zu 20 Mitarbeitern über Gebühr pauschal begünstigt – davon profitierten über 90 Prozent aller deutschen Unternehmen. Die Grenze von 50 Prozent Verwaltungsvermögen haben die Richter ebenfalls als zu hoch eingestuft.
Bis Ende Juni 2016 müssen Bundestag und Bundesrat die Mängel beheben. Doch die Bundesregierung will rascher handeln. „Ich nehme nicht an, dass wir diese Frist ausschöpfen werden“, erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gleich nach dem Urteil. Im Februar legte er sein Eckpunktepapier für die Reform vor, bis zur Sommerpause könnte der Bundestag die Reform verabschieden. „Betroffen sind alle Unternehmen, die vor einem Generationswechsel stehen“, so Dr. Christian Rödl, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg. „Große Unternehmen werden künftig nachweisen müssen, dass der Steuernachlass existenznotwendig ist.“ Der Bundesfinanzminister meint damit Betriebsvermögen ab 20 Millionen Euro und plant einen Nachweis für den Arbeitsplatzerhalt ab einer Million Euro Betriebsvermögen.
Der Nachweis für einen Steuervorteil könnte auch an eine kleinere Mitarbeiterzahl gekoppelt werden, meint Marc Jülicher, Dozent an der Bundesfinanzakademie in Brühl: „Kleine Firmen mit fünf bis zehn
Mitarbeitern könnten weiter ohne Nachweis des Arbeitsplatzerhalts auskommen.“ Außerdem dürfte die Berechnung des Verwaltungsvermögens neu geregelt werden.
Nicht überhastet entscheiden Alle Experten sehen darum dringenden Handlungsbedarf. „In Betrieben, bei denen die unentgeltliche Übergabe bereits ein Thema ist, sollten sich Unternehmer rasch mit ihrem Steuerberater und ihrem Rechtsanwalt zusammensetzen und die Details planen“, sagt Rödl. Ein Bundestagsbeschluss im Sommer könnte nach der bisherigen Rechtsprechung der Stichtag sein, ab dem die verschärften Regeln gelten. „Aber bis dahin genießen Nachfolger auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch Vertrauensschutz“, so Jülicher. Wichtig ist es, bei laufenden Übergabeplanungen mit einer Widerrufsklausel im Schenkungsvertrag für unliebsame Überraschungen durch den Gesetzgeber vorzusorgen, rät Rödl: „Kann der Nachfolger die bisherigen günstigen Regeln nicht nutzen, darf der Senior so die Schenkung widerrufen und mit dem Steuerberater eine neue Übergangslösung suchen, die zur geringstmöglichen Belastung führt.“
Für Pascal Berroth, den künftigen Chef des „Backparadies Berroth“ in Schwäbisch Gmünd, sind die Folgen des Bundesverfassungsgerichtsurteils allerdings kein Grund zur Eile. „Wir lassen uns nicht durch die jetzt noch geltenden Steuervorteile für Betriebsnachfolger hetzen.“ Konkret geht es um das von seinen Eltern geführte Familienunternehmen mit 120 Mitarbeitern und zwölf Filialen. Für Berroth, der sich zurzeit als Student in seiner Bachelorarbeit intensiv mit dem Thema Nachfolge und Steuern beschäftigt, ist klar: „Vorrang hat die ruhige und gründliche Planung der Übergabe mit einem fairen Ausgleich für meine Geschwister.“ Mithilfe des Steuerberaters könnte es 2016 so weit sein, wenn der künftige Chef auch den Meisterbrief hat.
Beim Traditionsbetrieb Mack dagegen hat sich die Eile gelohnt, weil ein laufender Prozess gezielt beschleunigt wurde. „Wir freuen uns, dass unsere Söhne noch die vollen Steuervorteile der Schenkung nutzen können“, betont Dieter Henzler. „Eine höhere Steuer wäre auf eine größere Kreditlinie hinausgelaufen, die sie vielleicht nicht hätten verkraften können und die uns eventuell den Boden entzogen hätte, auf dem wir arbeiten.“ Ans Aufgeben als Se-niorchef freilich denkt Henzler noch lange nicht. „Meine Vorgänger sind alle bis zu ihrem Lebensende in der Firma geblieben – vielleicht mache ich das genauso.“
Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 02/2015