Bundesgerichtshof erklärt Erbnachweisklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Sparkasse für unwirksam
Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Banken und Sparkassen beinhalten häufig Klauseln zum Erbennachweis. Demnach müssen die Erben verstorbener Bank- und Sparkassenkunden dem Geldinstitut regelmäßig einen Erbschein vorlegen.
In einem vom für das Bankrecht zuständigen XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) zu entscheidenden Fall ging es um eine Klausel, nach der die beklagte Sparkasse grundsätzlich auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen konnte. Nach freiem Ermessen konnte sie hierauf verzichten, wenn der Erbe nach ihrer Einschätzung den Nachweis durch Vorlage des eröffneten Testaments oder Erbvertrages führen kann.
Begriff Erbschein Der Erbschein ist in Deutschland ein amtliches Zeugnis, das für den Rechtsverkehr feststellt, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen dieser unterliegt. Beim Tod des Erblassers ist für berechtigte Dritte zunächst unklar, wer dessen Rechtsnachfolge als legitimer Erbe angetreten hat. Der Erbschein soll diese Unsicherheit im Rechtsverkehr beseitigen. Der Erbschein wird auf Antrag vom zuständigen Nachlassgericht dem Antragsteller erteilt. Er weist die Erben und – im Falle der Erbengemeinschaft – den Anteil der Miterben am Nachlass aus.
Entscheidung des BGH Der BGH hat aufgrund der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbands mit Urteil vom 8. Oktober 2013 – XI ZR 401/12 – entschieden, dass die relevante Bestimmung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der beklagten Sparkasse im Bankverkehr mit Privatkunden (Verbrauchern) nicht verwendet werden darf, weil sie diese unangemessen benachteiligt und deswegen unwirksam ist.
Klausel der Sparkasse Die überprüfte Erbnachweisklausel der Sparkasse lautet wie folgt: „Nach dem Tode des Kunden kann die Sparkasse zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins, eines Testamentsvollstreckerzeugnisses oder ähnlicher gerichtlicher Zeugnisse verlangen; fremdsprachige Urkunden sind auf Verlangen der Sparkasse mit deutscher Übersetzung vorzulegen. Die Sparkasse kann auf die Vorlegung eines Erbscheins oder eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verzichten, wenn ihr eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift vom Testament oder Erbvertrag des Kunden sowie der Niederschrift über die zugehörige Eröffnungsverhandlung vorgelegt wird.“
Urteilsgründe Nach der Entscheidung des BGH stellen die beanstandeten Regelungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse zunächst kontrollfähige Abweichungen von Rechtsvorschriften dar. Der Erbe ist grundsätzlich nämlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen.
Abweichend hiervon konnte die Sparkasse nach dem Wortlaut ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis des Erbrechts unabhängig davon verlangen, ob im konkreten Einzelfall das Erbrecht überhaupt zweifelhaft ist oder ob es auch auf andere – einfachere und/oder kostengünstigere – Art nachgewiesen werden könnte.
„Klärungsbedürftigkeit“ Zur Zweifelhaftigkeit des Erbrechts führt der BGH aus: Soweit nach der streitigen Regelung die Vorlage der darin genannten Urkunden „zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung“ verlangt werden kann, ist damit lediglich der Anlass umschrieben, mit dem die Sparkasse ihr Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins begründet.
Die Entscheidung hingegen, wann die Berechtigung des Erben „klärungsbedürftig“ ist, steht wiederum im Ermessen der Sparkasse. Die streitige Klausel kann auch nicht wegen der Verwendung des Wortes „kann“ einschränkend dahin ausgelegt werden, dass der Sparkasse ein Spielraum zusteht, den sie nur nach „billigem Ermessen“ ausüben darf.
Selbst unter Zugrundelegung eines solchen Entscheidungsmaßstabs würde jedenfalls der weite Spielraum der Billigkeit nicht den Anforderungen an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung genügen. Der Inhaltskontrolle halten die angegriffenen Regelungen daher nicht stand. Das uneingeschränkte Recht der Sparkasse, zur Klärung der rechtsgeschäftlichen Berechtigung die Vorlegung eines Erbscheins zu verlangen bzw. in bestimmten Situationen darauf zu verzichten, ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren.
Interessenabwägung notwendig Die Klausel gewährt der Sparkasse generell und unabhängig davon, ob im Einzelfall das Erbrecht zweifelhaft ist oder durch andere Dokumente einfacher und/oder kostengünstiger nachgewiesen werden kann, das Recht, auf der Vorlage eines Erbscheins zu bestehen.
Zwar hat eine Sparkasse nach dem Tod eines Kunden grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme sowohl durch einen etwaigen Scheinerben als auch durch den wahren Erben des Kunden zu entgehen. Daraus folgt indes nicht, dass sie einschränkungslos die Vorlegung eines Erbscheins verlangen kann.
Vielmehr sind im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung die Interessen des (wahren) Erben – der als Rechtsnachfolger in die Stellung des Erblassers als Vertragspartner der Sparkasse eingerückt ist und auf dessen mögliche Benachteiligung es daher ankommt – vorrangig. Ihm ist regelmäßig nicht daran gelegen, auch in Fällen, in denen er sein Erbrecht unproblematisch anders als durch Vorlage eines Erbscheins nachweisen kann, das unnütze Kostenverursachende und zu einer Verzögerung der Nachlassregulierung führende Erbscheinverfahren anstrengen zu müssen.
Ebenso wenig kann er auf die Möglichkeit verwiesen werden, von ihm zunächst – zu Unrecht – verauslagte Kosten später im Wege des Schadensersatzes, ggf. sogar nur unter Beschreitung des Klageweges von der Sparkasse, erstattet zu verlangen.
Fazit Mit dem Urteil stärkt der BGH die Rechte der Verbraucher, die sich nun keinen kostenpflichtigen Erbschein besorgen müssen. Dies ist auch deshalb wichtig, weil der Erbschein umso teurer wird, je höher die vererbten Summen sind.