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Typische Anlegerfehler – Teil II

In “Typische Anlegerfehler — Teil 1” habe ich Ihnen bereits einige klassische Anlegerfehler im Bereich der privaten Vermögensanlage vor Augen geführt, die uns auch bei unserer täglichen Analysetätigkeit in der quirin bank immer wieder begegnen (bitte bei Bedarf nachlesen). Da diese Fehler nicht selten zu spürbaren Renditeeinbußen oder gar Verlusten bzw. zu erhöhten Risiken führen, lohnt es sich, zu überprüfen, ob man nicht selber dazu neigt, in diese Anlegerfallen zu tappen.

Autor: Arndt Kuss­mann (Finan­z­analyse)


Selb­stüber­schätzung. Geht es Ihnen auch so? Wenn man sich pri­vat über Geldgeschäfte unter­hält, trifft man merk­würdi­ger­weise zumeist auf Leute, die nach eigen­em Bekun­den an der Börse erfol­gre­ich sind. An den Finanzmärk­ten Geld zu ver­lieren, geben Pri­vatan­leger ver­ständlicher­weise nicht so gerne zu. Das müssten sie aber eigentlich, denn die (Börsen-)Realität zeigt, dass pri­vate Inve­storen an den Wert­pa­pier­börsen oft­mals Fed­ern lassen müssen.

Ein ähn­lich­es Phänomen gibt es unter Aut­o­fahrern zu beobacht­en: Auch hier hal­ten sich 95 % für über­durch­schnit­tlich gute Lenker. Und fol­glich sind auch viele Pri­vat­in­ve­storen davon überzeugt, dass sie beispiel­sweise Aktienkurse bess­er prog­nos­tizieren kön­nen als die Masse der Inve­storen. Dass Selb­stüber­schätzung zu den häu­fig­sten Anlegerfehlern zählt, bestätigt auch Robert J. Shiller, seines Zeichens Wirtschaft­spro­fes­sor an der amerikanis­chen Elite-Uni­ver­sität Yale. Er ist spezial­isiert auf das The­ma Anlegerpsy­cholo­gie. Auch der US-Nation­alökonom John May­nard Keynes rei­ht sich in die Riege der Experten ein, die dies bestäti­gen. Zitat: »Die Börse ist wie ein Schön­heitswet­tbe­werb. Es gewin­nt nicht die Frau, die mir per­sön­lich am besten gefällt, son­dern diejenige, die die meis­ten Stim­men erhält.« Beson­ders gefährlich wird es, wenn die eige­nen Ein­schätzun­gen anfangs sog­ar zutr­e­f­fen. Das süße Gift der zunächst schnellen Gewinne trübt die Urteils­fähigkeit dann zusät­zlich. Hat man z. B. Aktien eines Unternehmens gekauft, das im Anschluss mit seinen Quar­tal­szahlen die Ana­lysten­er­wartun­gen übertrumpft, spe­ichert man dies als bestäti­gende Infor­ma­tion ab und das eigene (ohne­hin schon hohe) Selb­stver­trauen steigt weit­er. Entwick­elt sich jedoch die Unternehmenslage unter Plan, beein­trächtigt dies das Selb­stver­trauen eines Pri­vat­in­vestors in der Regel kaum. In der Ver­hal­tenswis­senschaft wird dieses Phänomen Bestä­ti­gungs­fehler genan­nt. Man sucht vor­rangig nach Infor­ma­tio­nen, die die eigene Ein­schätzung unter­mauern, und nimmt nur diese wahr – gegen­teilige Nachricht­en wer­den nur allzu gern ignoriert.

Stu­di­en zu diesem The­ma – z. B. von Dal­bar, ein­er amerikanis­chen Fir­ma, die auf Kap­i­tal­mark­t­analy­sen spezial­isiert ist – deck­en auf, dass Pri­vatan­leger tat­säch­lich nur sel­ten die Wer­ten­twick­lung eines bre­it diver­si­fizierten Index (Beispiel MSCI World) erreichen.

Den­noch pro­bieren es Heer­scharen von Anlegern immer wieder, mit ihrer indi­vidu­ellen Fonds- oder Aktien­auswahl bess­er abzuschnei­den als der betr­e­f­fende Gesamt­markt. Dabei fällt es selb­st Anlage­profis wie aktiv­en Fonds­man­agern schw­er, die jew­eils maßge­blichen Ver­gle­ichsin­dizes dauer­haft zu übertrumpfen. Die Deutsche Schutzge­mein­schaft für Wert­pa­pierbe­sitz (DSW) hat jüngst gemein­sam mit dem Münch­n­er Insti­tut für Ver­mö­gen­sauf­bau (IVA) eine entsprechende Studie betrieben. Die Unter­suchung erstreck­te sich auf ins­ge­samt 1.284 aktiv gem­anagte Aktien‑, Renten- und Mis­ch­fonds (die in der Regel Aktien, Renten und Geld­mark­tan­la­gen vere­inen), die min­destens 10 Jahre am Markt waren und min­destens über ein Vol­u­men von 7,5 Mio. € ver­fügten. Ins­ge­samt ist es nur 19 % der Fonds gelun­gen, über einen langfristi­gen Zeitraum (Basiszeitraum der Unter­suchung: 2002 bis 2011) einen Mehrw­ert gegenüber dem jew­eili­gen Ver­gle­ichsin­dex zu erzielen.

Umsichtige Anleger schützen sich vor Selb­stüber­schätzung, indem sie index­ori­en­tierte Anla­gen (ETFs) als Kern­in­vest­ment nutzen – ins­beson­dere im Aktiensek­tor und auch bei Rohstof­fan­la­gen. Im Anlei­h­e­sek­tor ergeben Einzelin­vest­ments noch am meis­ten Sinn, da mit ihrer Hil­fe eine zweck­mäßige Laufzeit­en­streu­ung und regelmäßige Zin­szu­flüsse dargestellt wer­den kön­nen. Set­zt man als Anleger auf Papiere, die einen Aktien- oder Rohstoffind­ex nahezu 1:1 nach­bilden, muss man nicht immer wieder seine Investi­tion­sentschei­dung auf den Prüf­s­tand stellen – zumin­d­est, was die rel­a­tive Entwick­lung der indi­vidu­ellen Invest­ments zum Gesamt­markt ange­ht. Ob die grund­sät­zliche Aus­rich­tung der Investi­tion­sstrate­gie sin­nvoll ist, sollte natür­lich auch bei Index­in­vest­ments regelmäßig über­prüft wer­den. Aus­gewählte aktive Fondsin­vest­ments sowie sub­stanzs­tarke Einzelti­tel kön­nen dann das Gesamt­bild eines Anlegerport­fo­lios abrunden.

Umschlagshäu­figkeit. Ins­beson­dere diejeni­gen Pri­vatan­leger, die sich selb­st über­schätzen, unter­liegen oft­mals dem Irrtum, dass eine beson­ders häu­fige Umschich­tung ihrer Wert­pa­pier­an­la­gen zu einem größeren Anlageer­folg führt. Zwis­chen 1991 und 1996 haben die bei­den kali­for­nischen Pro­fes­soren und Experten der Ver­hal­tensökonomie, Ter­rance Odean und Brad Bar­ber, eine entsprechende Studie mit über 66.000 Pri­vathaushal­ten durchge­führt. Zum einen fan­den Sie her­aus, dass zu Selb­stüber­schätzung neigende Anleger ihren Depotbe­stand tat­säch­lich häu­figer umwälzen als vor­sichtige Naturen, die weniger Ver­trauen in ihre Gel­dan­lagekün­ste haben. Zum anderen kon­nten sie nach­weisen, dass eine häu­fige Umschich­tung sog­ar einen äußerst neg­a­tiv­en Effekt auf den Anlageer­folg hat. So erbrachte der sein­erzeit repräsen­ta­tive und mark­t­bre­ite NYSE­To­tal-Stock-Index in den Jahren 1991 bis 1996 auf Jahres­sicht eine Ren­dite von 17,9 %. Pri­vathaushalte mit ein­er Umschich­tungsquote von 75 % (d. h., der Gesam­tum­fang der Transak­tio­nen betrug pro Jahr 75 % des Depotvol­u­mens) kamen lediglich auf im Schnitt 16,4 %. Diejeni­gen Pri­vatan­leger, die ihre Depots auf Jahres­sicht am häu­fig­sten umstruk­turi­erten (und fast alle Titel zweimal kom­plett auswech­sel­ten), erziel­ten sog­ar nur einen Ertrag von durch­schnit­tlich 11,2 %. Odean und Bar­ber bewiesen zudem, dass sich diese Ten­den­zen sowohl in steigen­den wie auch in fal­l­en­den Märk­ten und unab­hängig von der Port­fo­li­ogröße zeigten. Diese Ergeb­nisse waren dur­chaus rev­o­lu­tionär (und für Anleger ernüchternd) – ging man doch vor der Veröf­fentlichung der Studie im Jahr 2000 auch in wis­senschaftlichen Expertenkreisen davon aus, dass die Anzahl der Umschich­tun­gen wenig mit den Erträ­gen zu tun hat.

Lei­der wer­den heutzu­tage pri­vate Inve­storen oft­mals von übereifrigen Bankber­atern dazu ange­hal­ten, ihre Port­fo­liobestände häu­figer auszuwech­seln. Hin­ter­grund ist – offen gesagt – nicht sel­ten die starke Pro­vi­sion­sori­en­tierung viel­er Großbanken. Je häu­figer der Depotbe­stand gedreht wird, umso höher fall­en die ein­be­hal­te­nen Pro­vi­sio­nen, Aus­gabeauf­schläge etc. aus.

Zur Klarstel­lung: Zu häu­figes Umschicht­en ver­mei­den, heißt nicht, dass man stur jed­wede Mark­tschwankung aus­sitzen sollte und kom­plett auf Depot­transak­tio­nen verzichtet. Eine laufende Mark­t­beobach­tung (in Zusam­me­nar­beit mit einem kom­pe­ten­ten Ver­mö­gens­ber­ater) sollte in jedem Fall gewährleis­tet sein und im Bedarfs­fall muss natür­lich auch gehan­delt (sprich umgeschichtet) wer­den. Man sollte aber verin­ner­lichen, dass an der alten Bör­sian­er­floskel »Hin und her macht Taschen leer« dur­chaus viel Wahres dran ist und dass eine ruhige Hand (und ein küh­ler Kopf) bei strate­gis­chen Anlageentschei­dun­gen oft­mals hil­fre­ich ist.

Falsche Heimatliebe.Ins­beson­dere bei der Aktien­an­lage konzen­tri­eren sich viele Pri­vat­in­ve­storen stark auf den Heimat­markt. Deutsche Titel dominieren oft­mals die Depots der Bun­des­bürg­er. Das kann leicht zu ein­er man­gel­haften regionalen Streu­ung und somit zu einem sog. (regionalen) Klumpen­risiko führen. Schwächen der deutschen Wirtschaft und Rückschläge bei DAX, MDAX und Co. belas­ten das Ver­mö­gen dann über­pro­por­tion­al. Und ein möglicher­weise zeit­gle­ich­er Boom ander­er Volk­swirtschaften (und deren Börsen) geht an einem über­wiegend mit deutschen Werten bestück­ten Depot vor­bei – auch das kostet Ren­dite. Zudem ist der heimis­che Branchen­mix weniger aus­ge­wogen als z. B. beim sehr bre­it gestreuten MSCI World.

Bitte beacht­en: Eine gewisse Übergewich­tung deutsch­er Aktien ist dur­chaus tolerier­bar (und ger­ade auf­grund der derzeit rel­a­tiv­en wirtschaftlichen Stärke hiesiger Unternehmen auch dur­chaus empfehlenswert), es kommt aber auf das richtige Maß an.

Aktien­quoten, die z. B. zu 75 % aus deutschen Werten beste­hen, schießen ein­deutig über das Ziel hin­aus. Auch auf Branch­enebene ergeben sich auf­grund des Hangs, zu dem zu neigen, was man ken­nt, schnell gefährliche Ungle­ichgewichte auf Port­fo­lioebene. Pri­vatan­leger kaufen gern Aktien aus Branchen, in denen sie sich ver­meintlich gut ausken­nen, z. B. weil sie in der entsprechen­den Branche selb­st beruf­stätig sind. Aber Achtung: Affinität zu ein­er Branche bedeutet nicht zwangsläu­fig Wis­sen. Branchenin­sid­er unter­schätzen häu­fig Risiken, weil sie diese nicht objek­tiv wahrnehmen, zeigen Stu­di­en aus der Anlegerforschung. Auch der­art ein­seit­ig aus­gerichtete Depots sind anfäl­lig für Schiefla­gen, da sich die Aktienkurse von Unternehmen aus der­sel­ben Branche oft­mals in die gle­iche Rich­tung bewegen.

Faz­it an dieser Stelle: Anleger, die ohne regionale Scheuk­lap­pen über die Heimat­gren­zen hin­wegschauen und zusät­zlich auf eine aus­ge­wo­gene Branchen­mix­tur acht­en, reduzieren ihr Port­fo­lior­isiko und steigern häu­fig sog­ar ihre Ertragschan­cen. Wis­senschaftler der Rheinisch-West­fälis­chen Tech­nis­chen Hochschule Aachen haben errech­net, dass Durch­schnittsan­leger aus den G7-Staat­en mit Hang zu heimis­chen Aktien eine Ren­di­teein­buße von exakt 1 % erlei­den. Das klingt zunächst ein­mal nach wenig, läp­pert sich aber über die Jahre zu einem erkleck­lichen Betrag, der die Erträge aus der pri­vat­en Altersvor­sorge empfind­lich schmälert.

Kosten­blind­heit.Es mag vielle­icht ein Vorurteil sein, aber all­ge­mein­hin gilt der typ­is­che Deutsche als Schnäp­pchen­jäger. Und wer von uns ken­nt nicht die diebis­che Freude, z. B. ein Klei­dungsstück oder einen Elek­troar­tikel beson­ders preiswert erstanden zu haben. An einem anderen neu­ral­gis­chen Punkt drück­en die Deutschen aber den­noch gern bei­de Augen zu, näm­lich dann, wenn es um das The­ma Preis- bzw. Kostensen­si­bil­ität bei der Gel­dan­lage geht. Hier fokussieren sich die meis­ten deutschen Anleger bei der risiko­gestreuten Ver­mö­gen­san­lage immer noch auf aktiv gem­anagte Fonds. Auch den Hang zu Invest­mentzer­ti­fi kat­en und geschlosse­nen Fonds­beteili­gun­gen bezahlt der deutsche Anleger in der Regel mit rel­a­tiv hohen Gebühren. Im Ver­gle­ich mit ein­er aktiv­en Fond­slö­sung stellen börsen­ge­han­delte Index­fonds (ETFs) die deut­lich kostengün­stigere Alter­na­tive dar (und nicht sel­ten auch die ertra­gre­ichere, siehe Selb­stüber­schätzung). Wo die Großbanken beim Ver­trieb von ETFs leer aus­ge­hen, spart der Anleger im Gegen­zug bares Geld. Die bei aktiv­en Fonds üblichen Aus­gabeauf­schläge min­dern das Anlagevol­u­men bei der Neuan­lage um in der Regel bis zu 5 % – ein Aufwand, der erst ein­mal erwirtschaftet wer­den muss.

Die jährliche Gesamtkosten­quote (ohne Aus­gabeauf­schlag) eines in Europa gelis­teten Aktien-ETFs ist mit im Schnitt 0,4 % deut­lich gün­stiger als bei aktiv gem­anagten Fonds mit 1,76 % (Erhe­bung des Fond­san­bi­eters Black­rock). Selb­st teure Nis­chen-ETFs verur­sachen für gewöhn­lich nicht mehr als 1,5 % an Gesamtkosten.

Gesamt­faz­it. Emo­tio­nen und typ­isch men­schliche Gewohn­heit­en bei der Gel­dan­lage auszuschal­ten, ist nicht immer ganz ein­fach. Die Grund­vo­raus­set­zung, nicht in die typ­is­chen Anlegerfall­en zu ger­at­en, ist, sich diese über­haupt bewusst zu machen. Insofern hoffe ich, dass ich Sie mit meinen bei­den Artikeln zu diesem The­ma für die aus den typ­is­chen Anlegerfehlern resul­tieren­den Risiken sen­si­bil­isieren kon­nte. Selb­stver­ständlich ste­hen Ihnen beim erfol­gre­ichen Umschif­f­en der Anlegerfehler auch die Hon­o­rar­ber­ater der quirin bank gern mit Rat und Tat zur Seite.

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