Selbstmanagement: Prioritäten müssen stimmen
Professionelles Selbstmanagement basiert auf dem Grundsatz der Effektivität. Ein Firmenchef sollte sich deshalb gezielt auf das Wichtigste konzentrieren und auch mal Nein sagen – im eigenen Interesse wie in dem der Firma und ihrer Mitarbeiter.
Text: Eva Müller-Tauber
Kaum zu glauben: Ein Firmenchef sitzt nachmittags gemütlich Latte macchiato trinkend im Café. Anschließend geht er nicht ins Büro, sondern guten Gewissens zur Familie nach Hause, da er sein Arbeitspensum für den Tag bereits erledigt hat.
Es gibt auch zu viel Kontrolle Früher hätte sich Christian Meier das nicht vorstellen können. Im Sommer 1999 gründete er die logic-base GmbH in Rain am Lech nahe Augsburg. Binnen eines Jahrzehnts entwickelte sich das klassische Systemhaus mit zwei Beschäftigten zu einem E‑Commerce-Spezialisten mit rund 100 weitgehend hoch qualifizierten Fachkräften. Meier tat, was er für richtig hielt und die Gesellschaft von Unternehmern erwartet – arbeitete bis spät abends, hetzte von Termin zu Termin, machte kaum Pausen und möglichst viel selbst: „Zu Beginn habe ich jede E‑Mail kontrolliert, die an Kunden ging.“ Selbstorganisation, nach eigener Einschätzung ohnehin nicht seine Stärke, war zweitrangig. „Ich nutzte exzessiv mein Talent zu improvisieren, spontan auf Situationen zu reagieren“, so Meier. Das ging gut, bis sein Körper 2008 bei einem Kundentermin nicht mehr wollte: „Da war klar, dass es so nicht weitergeht, sonst bleiben die Firma und ich auf der Strecke.“
Dies war der Wendepunkt. Meier begann, sich auf seine Ziele und Kernkompetenzen als Firmenchef zu konzentrieren. Er dachte mehr mittel- und langfristig, reduzierte gezielt sein Arbeitspensum, delegierte. Er stellte erstmals eine Assistentin ein und regelte, welcher der damals 60 Mitarbeiter ihm wie zuarbeiten soll. Parallel dazu optimierte er seine Arbeitstechniken, um seine Zeit nicht nur für die richtigen Aufgaben, sondern auch effizient nutzen zu können. Zudem schaffte sich der Unternehmer Raum für Erholung: Eine einstündige Mittagspause steht jetzt fest im Terminplan. Zu wichtigen Familienfesten wie Geburtstagen nimmt er sich frei. Mindestens einmal im Jahr stärkt er durch mehrtägige Auszeiten in einem Rosenheimer Gesundheitszentrum seine physischen wie psychischen Ressourcen.
Nur die wichtigsten Dinge zählen Sich von der Rolle des Getriebenen zu verabschieden und grundlegend umzudenken, lohnt sich für Unternehmer generell, so Martin-Niels Däfler. „Beherzige ich die vielen Selbstorganisations- und Zeitmanagementtipps, spare ich bis zu 15 Prozent an Zeit“, sagt der Professor für Kommunikation an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Frankfurt am Main. „Aber entscheidend ist, zu überlegen, was für mich die wirklich wichtigen Dinge sind, für welche Aufgaben es sich überhaupt lohnt, Arbeitszeit einzusetzen.“ Richtiges Selbstmanagement sei viel mehr als klassisches Zeitmanagement: „Es ist die Fähigkeit des Menschen, sich so zu steuern, dass er das, was er im Leben anstrebt, tatsächlich erreicht.“
Multitasking treibt die Kosten Für Unternehmer bedeutet das beispielsweise, als Erster zu entscheiden: Wohin will ich mit der Firma? Welche Kunden will ich wie erreichen? Welche Schritte muss ich wann wohin gehen? Was kann wer im Betrieb dafür tun? Und auch: Wo soll ich Nein sagen? „Selbstmanagement basiert auf Effektivität, also darauf, die richtigen Dinge zu tun – dies bedingt, weniger zu machen, das aber gezielt und sorgfältig“, erklärt Däfler. „So ist man zugleich effizienter, und das ist die Dimension, die Unternehmer interessiert.“
Oft wird im Betrieb aber Effektivität mit Effizienz verwechselt, auch was die Arbeit der Beschäftigten betrifft. Viele Chefs sehen auf die Kosten, aber nicht auf Qualität und Ergebnis. Gerade Inhaber kleiner Betriebe vergessen, dass es kontraproduktiv ist, Mitarbeiter an vielen Projekten gleichzeitig werkeln zu lassen. „Fehlerkosten, die durch Multitasking entstehen, erfasst keine Gewinn- und Verlustrechnung“, so Däfler. „Und was nicht gemessen wird, wird nicht beachtet oder gesteuert.“ Oft fehle das Bewusstsein, wie viele Missverständnisse entstünden und wie viel Nacharbeit dann nötig sei, weil alles gleichzeitig gemacht werden sollte statt eins nach dem anderen. „Ich darf als Unternehmer nicht nur kurzfristig auf den nächsten Auftrag und möglichst viel Umsatz schielen, sondern muss im Rahmen meiner Möglichkeiten und der äußeren Zwänge mittel- und langfristig denken“, sagt Däfler. Dazu zählt etwa die Frage, ob ein Auftrag fristgerecht und ohne Qualitätsprobleme zu bewältigen ist und genügend Gewinn abfällt.
Ein Chef muss loslassen können Entwickelt ein Unternehmer die Fähigkeit zum Selbstmanagement, kann er seine Mitarbeiter beim Selbstmanagement unterstützen, die heute mehr Verantwortung und Handlungsspielraum haben. „Das gelingt über entsprechende Rahmenbedingungen, Werkzeuge und klar definierte Prozesse“, so der Sozial- und Wirtschaftspsychologe Ottmar Braun, Professor an der Universität Koblenz-Landau. „Aber vor allem dadurch, dass Chefs die Selbstmanagementkompetenzen der Mitarbeiter stärken.“ Dazu zählt Fortbildung und positive Psychologie – der Unternehmer sollte motivieren, wertschätzen und vertrauen.
Christian Meier hat seinen Führungsstil diesbezüglich optimiert. Er kontrolliert gezielt nur Arbeitsergebnisse und lässt es bewusst zu, dass seine Mitarbeiter Projekte auf ihre Art erfolgreich bewältigen. Dreimal pro Woche geht er durch die Firma und tauscht sich mit der Belegschaft darüber aus, was funktioniert und was nicht. In den meisten Abteilungen besteht Anwesenheitspflicht nur von 10:00 bis 15:30 Uhr. Soziales Miteinander wird großgeschrieben. Sitzt jemand nach 21:00 Uhr im Büro, soll das die Ausnahme und nicht die Regel sein. Heute weiß Meier: „Vorübergehende Hochphasen ausgenommen, ist es mit gutem Selbstmanagement sogar für Unternehmer wie mich machbar, die Arbeit in einer 50-Stunden-Woche zu erledigen.“ Für Meier ist sein Nachmittagskaffee, mit dem er den Feierabend einläutet, deshalb inzwischen keine Utopie mehr.
Effektiver Arbeiten: Diese Grundregeln sollten Sie in Ihrem Betrieb einhalten
ZIELE DEFINIEREN Sie als Firmenchef müssen allen im Betrieb Orientierung bieten. A und O des professionellen Selbstmanagements ist es, Ziele und die Schritte dorthin zu formulieren. Was will ich? Wie will ich dahin kommen? Nur wer das weiß, kann seine Zeit gezielt einsetzen.
NEIN SAGEN KÖNNEN Ist ein neuer Auftrag gut für den Ruf oder um weitere Zielgruppen zu erschließen? Wird er sich rechnen und fristgerecht abzuwickeln sein? Falls er jedoch zu viele Kapazitäten bindet, kann es durchaus sinnvoll sein, einen Auftrag abzulehnen.
VERTRAUEN SCHENKEN Wer Mitarbeiter ständig kontrolliert, vergeudet Zeit, die er besser nutzen kann. Zeigen Sie den Mitarbeitern, dass Sie ihnen zutrauen,
Aufgaben selbstständig zu erledigen. Erlauben Sie alternative Lösungen, bewerten Sie nur Ergebnisse.
TECHNIKEN OPTIMIEREN Stellen Sie Tages- und Wochenpläne auf. Priorisieren und delegieren Sie. Ablagesysteme und E‑Mail-Verwaltung müssen durchdacht sein. Führt ein starker Moderator zielorientiert durch die Themen, ufern Meetings nicht aus.
PAUSEN PLANEN Stärken Sie Körper und Geist mit Auszeiten. Treiben Sie Sport, pflegen Sie Hobbys, achten Sie auf Ihre Gesundheit. Wenn es Ihnen gut geht, sind Sie auch stark für andere. Aufopferung führt zu Burn-out und schadet der Firma.
Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an.
Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 02/2015