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Arbeitsrecht: Zeugnissprache

Die Zeugnissprache ist für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein gleichermaßen schwieriges Thema. Der Bundesgerichtshof hatte in einem Urteil mit herausragender Bedeutung vom 26. November 1963 entschieden, dass der Arbeitgeber aufgrund seiner „auch über das Ende des Dienstverhältnisses hinausweisenden sozialen Mitverantwortung“ verpflichtet sei, das Zeugnis nicht nur der Wahrheit entsprechend, sondern auch mit verständigem Wohlwollen abzufassen.

Verboten sind so z. B. die Nichterwähnung wesentlicher Punkte („beredtes Schweigen“). Die Folge ist, dass Arbeitgeber häufig sogenannte „Geheimcodes“ verwenden. Arbeitnehmer hingegen sehen in vielen Formulierungen – teils begründet, teils unbegründet – einen Fallstrick.


Anspruch auf Zeug­nis.Nach § 109 Abs. 1 GewO hat der Arbeit­nehmer bei Beendi­gung des Arbeitsver­hält­niss­es Anspruch auf ein schriftlich­es Zeug­nis. Das Zeug­nis darf gemäß § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO keine For­mulierun­gen enthal­ten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wort­laut ersichtliche Aus­sage über den Arbeit­nehmer zu tre­f­fen (Grund­satz der Zeugnisklarheit).

Struk­tur eines arbeit­srechtlichen Zeug­niss­es.Ein arbeit­srechtlich­es Zeug­nis fol­gt in der Regel ein­er stren­gen Struk­tur. Nach der Ein­leitung wer­den der beru­fliche Werde­gang im Unternehmen und die zulet­zt aus­geübte Tätigkeit des Arbeit­nehmers beschrieben. Hier­auf fol­gend wird die Leis­tung des Arbeit­nehmers beurteilt. Diese Leis­tungs­beurteilung erfol­gt in bis zu sieben Schrit­ten. Zunächst wird regelmäßig die Leis­tungs­bere­itschaft und ‑befähi­gung dargestellt. Hier­auf fol­gen die beson­deren Fachken­nt­nisse, die Beurteilung der Arbeitsweise sowie des Arbeit­ser­folges. Gegebe­nen­falls kön­nen anschließend beson­dere Erfolge und die Führungsleis­tung beschrieben wer­den. Abschließend fol­gt regelmäßig ein zusam­men­fassendes Leis­tung­surteil. Auf die Leis­tungs­beurteilung fol­gt die Beurteilung des inter­nen und exter­nen Ver­hal­tens. Üblicher­weise schließt das Zeug­nis mit ein­er Beendi­gungs­formel sowie dem Aus­druck des Bedauerns und ein­er Dankesformel.

Geheim­codes.Wie bere­its beschrieben, wer­den Geheim­codes ver­wen­det, um das wahre Leis­tungsver­mö­gen und das Ver­hal­ten des Arbeit­nehmers zu beurteilen. Ein sehr bekan­ntes Beispiel bildet hier das zusam­men­fassende Leis­tung­surteil des Arbeit­nehmers: Bei der Leis­tungs­beurteilung wer­den bes­timmte For­mulierun­gen ein­er Note gleichgestellt:

„Er hat die ihm über­tra­ge­nen Aufgaben …

  • stets zu unser­er voll­sten Zufrieden­heit = Note 1
  • zu unser­er voll­sten Zufrieden­heit = Note 1,5
  • stets zu unser­er vollen Zufrieden­heit = Note 2
  • zu unser­er Zufrieden­heit = Note 2,5
  • stets zu unser­er Zufrieden­heit = Note 3
  • zu unser­er Zufrieden­heit = Note 4
  • ins­ge­samt zufrieden­stel­lend = Note 5 … erledigt“.

Ähn­liche Schema­ta sind auch z. B. für die Ver­hal­tens­beurteilung zu find­en. Beschreibt der Arbeit­ge­ber einen Arbeit­nehmer z. B. als engagiert für die Inter­essen der Kol­le­gen, meint er häu­fig, dass es sich um ein Mit­glied des Betrieb­srates handelt.

Zeug­nis­sprache am Beispiel eines aktuellen Urteils.Ein aktuelles Urteil des Bun­de­sar­beits­gerichts (BAG, Urteil v. 15.11.2011, 9 AZR 386/10) hat in der Fach­presse Auf­se­hen erregt, zeigt es mal wieder die Schwierigkeit­en der Zeug­nis­sprache: Der Kläger war in der Zeit vom 1. April 2004 bis zum 28. Feb­ru­ar 2007 als Mitar­beit­er im „SAP Com­pe­tence Cen­ter“ der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte erteilte ihm unter dem Beendi­gungs­da­tum ein Zeug­nis. Dieses enthielt auszugsweise fol­gen­den Absatz:

„Wir haben den Kläger als sehr inter­essierten und hochmo­tivierten Mitar­beit­er ken­nen gel­ernt, der stets eine sehr hohe Ein­satzbere­itschaft zeigte. Der Kläger war jed­erzeit bere­it, sich über die nor­male Arbeit­szeit hin­aus für die Belange des Unternehmens einzuset­zen. Er erledigte seine Auf­gaben stets zu unser­er vollen Zufrieden­heit.“ Der Kläger wen­dete sich gegen die For­mulierung „ken­nen gel­ernt“. Er hat die Auf­fas­sung vertreten, diese For­mulierung werde in der Beruf­swelt über­wiegend neg­a­tiv ver­standen. Damit bringe der Arbeit­ge­ber ver­schlüs­selt zum Aus­druck, dass ger­ade das Gegen­teil der jew­eili­gen Aus­sage zutreffe.

Das Bun­de­sar­beits­gericht entsch­ied jedoch gegen den Kläger, dass die im Zeug­nis der Beklagten enthal­tene For­mulierung, „als sehr inter­essierten und hochmo­tivierten Mitar­beit­er ken­nen gel­ernt“ aus Sicht des objek­tiv­en Empfänger­hor­i­zonts nicht den Ein­druck erweckt die Beklagte attestiere dem Kläger in Wahrheit Desin­ter­esse und fehlende Moti­va­tion. Die Klage wurde mithin abgewiesen.

Faz­it.Es ist Arbeit­ge­bern unter­sagt, Zeug­nisse mit Merk­malen zu verse­hen, welche den Zweck haben, den Arbeit­nehmer in ein­er aus dem Wort­laut nicht ersichtlichen Weise zu kennze­ich­nen. Den­noch wer­den – teil­weise bewusst, teil­weise unbe­wusst – For­mulierun­gen ver­wen­det, die etwas anderes aus­drück­en als zunächst ersichtlich.

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