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Scheinselbstständigkeit sorgt wei­ter für viel Verunsicherung

Neue Urteile zur Schein­selbststän­dig­keit: Wich­tig sind et­wa Ein­glie­de­rung in be­trieb­li­che Ab­läu­fe oder Ho­no­rar­hö­he. Die De­tails muss aber ein An­walt be­wer­ten. Solo-Selb­ststän­di­ge und auch Auf­trag­ge­ber soll­ten sich re­gel­mä­ßig mit dem Ex­perten besprechen.

Text: Frank Wiercks


Die Ver­ant­wortlichen kom­men und gehen, die The­men bleiben. Schon 2016 beack­erte die dama­lige Bun­de­sar­beitsmin­is­terin Andrea Nahles das Prob­lem der Schein­selb­st­ständigkeit. Nicht gezielt, son­dern bei der Reform des Werkver­tragsrechts. Die ging ins­beson­dere um Zeitar­beit, Lei­har­beit und Werkverträge, aber irgend­wie auch um die schwammige Def­i­n­i­tion von Schein­selb­st­ständigkeit. Verbessert hat sich nichts. Nun beschäftigt sich ihr Nach­fol­ger Huber­tus Heil mit dem The­ma. Nicht direkt, aber irgend­wie im Zusam­men­hang mit der Frage, wie ins­beson­dere Solo-Selb­st­ständi­ge bess­er sozial abzu­sich­ern sind. Er unter­schei­det in gute und schlechte Selb­ständigkeit. Er plant ein vere­in­facht­es Sta­tus­fest­stel­lungsver­fahren, denn das derzeit­ige sorgt regelmäßig für neg­a­tive Schlagzeilen. Die Deutsche Renten­ver­sicherung (DRV) soll so echte Schein­Selb­st­ständi­ge ent­lar­ven. Aber sie scheint bemüht, möglichst vie­len Freiberu­flern oder Solo-Selb­st­ständi­gen eine Schein­selb­st­ständigkeit zu attestieren. Vielle­icht, damit mehr Geld in die Sozialka­sse fließt? Egal. Huber­tus Heil beant­wortet die Frage des Ver­bands der Grün­der und Selb­st­ständi­gen Deutsch­land (VGSD), wie es beim The­ma weit­erge­ht, mit Ver­weis auf eine neue „Denk­fab­rik“.

Schwammige Kri­te­rien für Scheinselbstständigkeit

Die „Denk­fab­rik“ hat bis­lang noch keine neuen Ideen geliefert. Also bleibt die Unklarheit. Für Unternehmer ist das eine schlechte Nachricht. Sowohl für jene, die als Solo-Selb­st­ständi­ge oder Freiberu­fler arbeit­en und damit Gefahr laufen, dass die DRV ihnen Schein­selb­st­ständigkeit unter­stellt. Wie auch für Fir­menchefs, die viele Freiberu­fler beauf­tra­gen und fürcht­en müssen, dass bei einem davon plöt­zlich Schein­selb­st­ständigkeit fest­gestellt wird, etwa im Rah­men ein­er Betrieb­sprü­fung. Dann sind eventuell hohe Nachzahlun­gen an die Sozialver­sicherung fäl­lig. Vor allem poten­zielle Auf­tragge­ber soll­ten deshalb weit­er die Kri­te­rien im Auge behal­ten, die im Ern­st­fall zur Begrün­dung ein­er Schein­selb­st­ständigkeit dienen. Immer noch gilt als Faust­formel: Ein wirk­lich Selb­st­ständi­ger Auftragnehmer

• betreibt eigen­ständi­ge Kundenakquise,
• trägt das unternehmerische Risiko für seine Arbeit,
• übern­immt die Kosten der Arbeitsausführung,
• erfüllt seine Auf­gaben weisung­sun­ab­hängig bei freier Zeiteinteilung,
• erhält bei Dauer, Beginn und Ende der Arbeit­szeit keine Ansage vom Auf­tragge­ber und
• ist nicht unmit­tel­bar in den Arbeitsablauf sowie die Organ­i­sa­tion des Auf­tragge­bers integriert.

Oft entschei­den Rich­ter über Scheinselbstständigkeit

Wer als Auf­tragge­ber oder Auf­trag­nehmer darauf achtet, dass Rechte und Pflicht­en im Ver­tragsver­hält­nis entsprechend verteilt sind, kön­nte sich sich­er fühlen. Bess­er aber wäre es, mit Anwalt oder Steuer­ber­ater regelmäßig die Rah­menbe­din­gun­gen der aktuellen Aufträge zu besprechen. Häu­fig bleibt ein bre­it­er Inter­pre­ta­tion­sspiel­raum, ob im konkreten Fall nicht vielle­icht doch Schein­selb­st­ständigkeit vor­liegen kön­nte. Hier kön­nen die Experten wertvolle Tipps geben, wie sich Ver­trags­gestal­tung und prak­tis­che Zusam­me­nar­beit verbessern ließen. Mit dem Ziel, dass bei einem jed­erzeit möglichen Sta­tus­fest­stel­lungsver­fahren das Ergeb­nis ein­deutig „Selb­st­ständi­ge Tätigkeit“ lautet. Wobei nicht nur das Sta­tus­fest­stel­lungsver­fahren ein Risiko ist. Oft lan­den Stre­it­fälle gle­ich vor dem Kadi. Und dann müssen Sozial­richter im Einzelfall entschei­den, ob es nun um eine echte oder eine nur schein­bare Selb­ständigkeit geht. Solange sich der Bun­de­sar­beitsmin­is­ter vor ein­er Beant­wor­tung der Frage drückt, wie genau die Def­i­n­i­tion ausse­hen soll, bleibt das den Gericht­en über­lassen. Aktuelle Urteile sor­gen für einen gewis­sen Erken­nt­nis­gewinn, manch­mal aber auch für mehr Verunsicherung.

Anpassung an Ab­läu­fe ist kei­ne Ein­glie­de­rung in Organisation

Wichtig ist ins­beson­dere die Frage der Eingliederung in die Organ­i­sa­tion. Laut Lan­dessozial­gericht Nor­drhein-West­falen ist eine freiberu­fliche Con­tent-Man­agerin für Social Media trotz regelmäßiger Anwe­sen­heit im Betrieb nicht schein­selb­ständig. Rasche tech­nis­che Verän­derun­gen ver­langten die aktuelle Präsenz des Zuständi­gen, auch wenn dieser selb­st­ständig ist. Das Sozial­gericht Stuttgart meint, Dozen­ten an Weiterbildungs­instituten seien bei weit­erge­hen­der Eingliederung in die Organ­i­sa­tion des Auf­tragge­bers abhängig beschäftigt. Nicht aber bei jed­er Anpas­sung an Betrieb­sabläufe. Der betr­e­f­fende Dozent musste wed­er Ver­wal­tungsauf­gaben übernehmen noch Kol­le­gen vertreten. Er kon­nte nicht für andere Kurse einge­set­zt, seine Teil­nahme an Ver­anstal­tun­gen nicht ange­ord­net wer­den. Allein die Tat­sache, dass Lehrpläne zu beacht­en sind, begründe keine Weisungsab­hängigkeit in fach­lich­er Hin­sicht, solange auf Basis all­ge­mein­er Regelun­gen die Selb­st­ständi­ge Unter­richts­gestal­tung erhal­ten bleibe. Ähn­lich entsch­ied in einem anderen Fall das Bun­dessozial­gericht: Nur weil ein freiberu­flich­er Musik­lehrer das Lehrplan­werk des Ver­bands deutsch­er Musikschulen (VdM) beachtet, wird er nicht sozialver­sicherungspflichtiger Beschäftigter der Musikschule.

Ohne Unterneh­mer­ri­si­ko kei­ne Selbstständige Tätigkeit

Etwas anders sind konkrete Vor­gaben vom Chef. Das Lan­dessozial­gericht Nieder­sach­sen-Bre­men hielt einen Fußball­train­er für sozialver­sicherungspflichtig, der vom Vor­stand ins Zusam­men­wirken viel­er Per­so­n­en einge­bun­den wurde und kein Unternehmer­risiko trug. Auch war er weisungsab­hängig, der Vere­in kon­nte Leis­tun­gen durch Einze­langaben konkretisieren. Nachzahlung zur Sozialver­sicherung nach ein­er Betrieb­sprü­fung: 15.000 Euro. Hon­o­rarkräfte im Pflege­bere­ich von Kranken­häusern sind laut Lan­dessozial­gericht Nor­drhein-West­falen eben­falls sozialver­sicherungspflichtig – zumin­d­est, wenn sie in organ­isatorische Abläufe der Sta­tion eingegliedert sind und nach verbindlichen Dienst- und Schicht­plä­nen sowie vom Arzt vorgegebe­nen Ther­a­pieplä­nen arbeit­en. Die in diesem engen Rah­men gegenüber Angestell­ten etwas größeren Frei­heit­en seien keine weit­ge­hende Weisungs­frei­heit, die typ­isch für Selb­st­ständi­ge ist. Ähn­lich­es gilt laut Lan­dessozial­gericht München beim Rundgan­gleit­er eines Doku­men­ta­tion­szen­trums. Er sei – unab­hängig vom Ver­trag über freie Mitar­beit – weisungs­ge­bun­den, in die Arbeit­sor­gan­i­sa­tion einge­bun­den, ohne unternehmerisches Risiko. Und das Sozial­gericht Dort­mund hielt einen Tax­i­fahrer für sozialver­sicherungspflichtig, der der Tax­izen­trale Miete für das genutzte Fahrzeug zahlte, aber anson­sten wie ein fes­tangestell­ter Fahrer einge­set­zt wurde.

Hohe Hono­ra­re spre­chen ge­gen Scheinselbstständigkeit

Auch zu den anderen Kri­te­rien für die Fest­stel­lung von Schein­selb­st­ständigkeit gibt es Urteile. So hat beispiel­sweise das Bun­dessozial­gericht (BSG) entschei­den, dass die Deutsche Renten­ver­sicherung (DRV) einen Heil­prak­tik­er zu Unrecht als schein­selb­st­ständig abstem­pelte. Die Richter set­zten das auf die Stunde herun­terge­broch­ene Hon­o­rar in Rela­tion zum Gehalt eines ver­gle­ich­baren Angestell­ten. Ihr Faz­it: Ermöglichen rel­a­tiv hohe Ein­nah­men ein­er Hon­o­rarkraft die Eigen­vor­sorge, sei dies ein gewichtiges Indiz für Selb­ständigkeit. Also ein Urteil im Sinn vor allem jen­er hoch qual­i­fizierten Solo-Selb­st­ständi­gen etwa in der IT-Branche, die gute Hon­o­rare durch­set­zen kön­nen. Sie haben nicht das Gefühl, dass der Bun­de­sar­beitsmin­is­ter sie schützen muss. Aber wirk­lich sicheren Boden bieten gerichtliche Entschei­dun­gen nicht. Schon das näch­ste Urteil kann auf­grund der schwammi­gen Kri­te­rien für Schein­selb­st­ständigkeit ganz anders aus­fall­en. Deshalb bleibt doch die regelmäßige Besprechung mit Steuer­ber­ater und Anwalt empfehlenswert.


Bei Fra­gen sprechen Sie uns gerne an.


Quelle: www.trialog-unternehmerblog.de, Her­aus­ge­ber: DATEV eG, Nürnberg

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