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Digitaler Nachlass – gut geordnet, sicher verwahrt

Im Zeitalter von Internet, Cloud-Computing und Co. sollte für jedes Unternehmen neben dem üblichen auch ein digitaler Notfallkoffer gepackt werden. Wenn der Firmenchef dann ausfällt, bleibt sein Unternehmen trotzdem handlungsfähig.

Text: Har­ald Klein


Peter Röhm set­zt auf Risikostreu­ung – daher verteilen sich die Infor­ma­tio­nen zu Web­sites oder Accounts sein­er Fir­ma sowie den Pass­wörtern auf mehrere Mitar­beit­er. „Sie sind im ständi­gen Zugriff der Admin­is­tra­toren und doku­men­tiert, Zugangsrechte haben wir genau definiert“, so der Geschäfts­führer der Röhm Typo­fac­to­ry Mar­ket­ing GmbH im würt­tem­ber­gis­chen Sin­delfin­gen, die rund 30 Mitar­beit­er zählt und zum Röhm Ver­lag gehört. So bleibt der Betrieb hand­lungs­fähig, falls zen­trale Funk­tion­sträger oder der Chef nicht ver­füg­bar sind: „Mit etwas Einar­beitung kann jed­er Nach­fol­ger übernehmen.“ Für die drei Unternehmen der Röhm-Fir­men­gruppe ist die IT über­lebenswichtig und hat höch­ste Pri­or­ität. Auch für den Fall, dass er selb­st aus­fällt und jemand Zugriff auf sen­si­ble Dat­en pri­vater oder geschäftlich­er Natur benötigt, um den Laden am Laufen zu hal­ten, hat Röhm vorge­sorgt. Er wählte die Fam­i­lien­vari­ante: „Wir sind drei geschäfts­führende Brüder, die eng zusam­me­nar­beit­en, da weiß jed­er, was im Not­fall zu tun ist.“

Viele Unternehmer set­zen auf Dig­i­tal­isierung. Sie vertreiben Pro­duk­te im Web­shop, bestellen Zube­hör online, suchen Per­son­al via Xing, schal­ten Wer­bung bei Google, nutzen E‑Banking. In der Regel erle­ichtert und beschle­u­nigt dies die Arbeit. Doch es kann sie erschw­eren und ver­langsamen – wenn entschei­dende Träger des dig­i­tal­en Know-hows im Betrieb, allen voran der Fir­menchef, länger aus­fall­en und es dafür keinen Plan B gibt. Plöt­zlich ist der Zugriff auf Fir­me­n­ac­counts beim Inter­net­provider ver­wehrt: Die Web­site lässt sich nicht aktu­al­isieren, der Face­book-Auftritt nicht bear­beit­en, kein Geld überweisen.

Trotz dieser Risiken scheint der „dig­i­tale Not­fal­lkof­fer“ bei vie­len Unternehmern noch nicht pop­ulär zu sein, hat Mario Mar­ti­ni beobachtet. „Das mag damit zusam­men­hän­gen, dass Inter­net­nutzer generell nur sel­ten ihr soge­nan­ntes dig­i­tales Erbe organ­isieren, also fes­tle­gen, wer nach ihrem Tod auf Accounts, elek­tro­n­is­che Dat­en und Ver­trags­beziehun­gen zugreifen darf und was damit geschehen soll“, so der Pro­fes­sor für Ver­wal­tungswis­senschaft, Staat­srecht, Ver­wal­tungsrecht und Euro­parecht an der Uni Speyer.

Gesetzliche Regelungen fehlen

Immer­hin 93 Prozent der Inter­net­nutzer haben nach ein­er Studie des Branchen­ver­bands BITKOM ihren dig­i­tal­en Nach­lass nicht geregelt. „Bei kleinen Unternehmen, wo viele Dinge auss­chließlich Chef­sache sind, kann es fatale Fol­gen haben, wenn beispiel­sweise nicht fest­gelegt ist, wer beim Tod des Fir­menchefs die Zugriff­s­rechte für dessen Accounts, Smart­phone und seine Mails besitzt“, warnt Mar­ti­ni. Schnell gehen etwa Aufträge ver­loren, weil Fris­ten dann nicht einge­hal­ten werden.

Zusät­zlich erschw­ert wird der Zugriff von Drit­ten auf das dig­i­tale Erbe eines Unternehmens durch die unklare rechtliche Sit­u­a­tion, denn es fehlt hier an ein­deuti­gen Regelun­gen für den Umgang mit Zugangs­dat­en zu Accounts sowie den dort gespe­icherten Dat­en. „Was die Ver­mö­genswerte bet­rifft, ist offline wie online klar geregelt, dass sie auf die Erben überge­hen“, erk­lärt Mar­ti­ni, der sich seit Langem inten­siv mit dem The­ma beschäftigt. „Schwierig wird es, wenn per­sön­lichkeit­srel­e­vante Teile des dig­i­tal­en Nach­lass­es betrof­fen sind, etwa rein pri­vate E‑Mails ohne Ver­mö­gens­bezug.“ Der Bun­desver­band mit­tel­ständis­che Wirtschaft (BVMW) in Berlin warnt mit Blick auf den E‑Mail-Account, dass eine rein erbrechtliche Einord­nung mit dem Fer­n­meldege­heim­nis kol­li­diere und das post­mor­tale Per­sön­lichkeit­srecht nicht auf die Erben übergehe.

Accounts werden herrenlos

Auch für das Löschen von dig­i­tal­en Spuren fehlen ein­deutige und verbindliche Vorschriften. Grund­sät­zlich müsste kein Inter­net­di­enst den Erben den Zugang zu einem Kon­to gewähren, selb­st wenn diese einen Erb­schein und die Ster­beurkunde vor­legen. Manche Anbi­eter löschen Kon­ten, wenn diese eine gewisse Zeit inak­tiv gewe­sen sind und sich kein Erbe meldet.

Andere ver­set­zten den Account in einen Gedenksta­tus. Mit­tler­weile gibt es sog­ar Dien­stleis­ter, die den dig­i­tal­en Nach­lass regeln. „Doch dieser Ser­vice ist zum einen häu­fig kostenpflichtig“, betont Mar­ti­ni. „Zum anderen erhal­ten die Nach­lassver­wal­ter damit Zugriff auf höchst sen­si­ble per­sön­liche Dat­en.“ Er emp­fiehlt Unternehmern deshalb, lieber rechtzeit­ig vorzu­sor­gen: Geräte sowie Accounts auflis­ten, Pass­wörter notieren, Zugriff­s­rechte definieren, eventuell eine Ver­trauensper­son mit entsprechen­den Voll­macht­en ausstat­ten. „Am besten aufge­hoben sind die Doku­mente im Safe beim Tes­ta­ment oder bei einem Notar oder Recht­san­walt.“ Es muss aber beachtet wer­den, dass Pass­wörter aus Sicher­heits­grün­den alle paar Monate zu ändern sind und dass jede Änderung in den Nach­las­sun­ter­la­gen entsprechend aktu­al­isiert wer­den muss.

„Eine andere Möglichkeit ist, Unter­la­gen beim Steuer­ber­ater zu hin­ter­legen, weil er ger­ade bei kleinen Betrieben ein enger Ver­trauter ist, der ohne­hin oft kon­sul­tiert wird“, so Roland Klee­mann, Präsi­dent der Steuer­ber­aterkam­mer Berlin. Aus der Prax­is weiß er, was fehlende Weit­sicht eines Fir­menchefs im Umgang mit dem dig­i­tal­en Nach­lass anricht­en kann. „Weil nach dem Tod des Inhab­ers kein­er auf seine Accounts und Dat­en zugreifen kon­nte, wurde schon die Abwick­lung von Betrieben unnötig verzögert.“ Darunter lei­den auch die Mitar­beit­er. Klee­mann rät, Check­lis­ten zu erstellen und sie abzuar­beit­en sowie regelmäßig zu aktu­al­isieren. „Manche Ver­lage bieten für diesen Fall auch hil­fre­iche Vordrucke.“

Klare Verfügungen sind wichtig

Simon Huck hat einen Vor­druck für pri­vate Zwecke genutzt und mit dem Tes­ta­ment hin­ter­legt. Geschäftlich muss der Chef der Münch­n­er E‑Com­merce-Agen­tur Cyber­day GmbH ohne­hin vor­sor­gen. „Unsere Com­pli­ance-Vor­gaben erfordern ein strik­tes Pass­wort­man­age­ment.“ Seit einem Jahr hat Huck zudem einen Mit­geschäfts­führer. Hand­lungs­fähigkeit und Fortbe­stand der Fir­ma, die 15 Mitar­beit­er zählt, sind damit nicht mehr nur an seine Per­son geknüpft. Mit der Neugestal­tung der Geschäfts­führung hat Huck alle pri­vat­en Dat­en aus Geschäftscom­put­er und Dienst-Smart­phone ver­ban­nt. Aus eigen­er Erfahrung rät er dies jedem Unternehmer, der seine Geräte beru­flich wie pri­vat nutzt: „Wer hier strikt nach pri­vatem und geschäftlichem Gebrauch tren­nt, kann seinen dig­i­tal­en Nach­lass viel ein­fach­er regeln.“


Bei Fra­gen sprechen Sie uns gerne an.


Quelle: TRIALOG, Das Unternehmer­magazin Ihrer Berater und der DATEV, Her­aus­ge­ber: DATEV eG, Nürn­berg, Aus­gabe 01/2017

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