Kapitalspritze: wirksamer Investitionsturbo
Zur Finanzierung der Expansion führt an Beteiligungskapital oft kein Weg vorbei. Mit dem richtigen Geldgeber und einer durchdachten Konstruktion können Mittelständler ihr Eigenkapital aber nachhaltig stärken und trotzdem Herr im Haus bleiben.
Text: Sigrun an der Heiden
Der auf die Schaufensterscheibe projizierte Ninja-Krieger spricht würdevoll Passanten an: „Willkommen, Fremder“. Bleibt jemand stehen, erbittet die kindergroße Lego-Figur eine Verbeugung – und antwortet ihrerseits mit der klassischen japanischen Begrüßung, denn sie weiß auf die Bewegungen des Gegenübers zu reagieren. Wer mit dem Ninja redet, kann ihn durch Gesten steuern, Spiele starten und Produktinformationen abrufen. Zu dem sogenannten Virtual Promoter gehören neben dem Projektor und der Spezialfolie, die Schaufenster in interaktive Bildschirme verwandelt, auch Kameras. Sie erfassen die Bewegung des Gesprächspartners, aus der eine Software berechnet, ob ein virtueller Knopf auf der Scheibe gedrückt wurde oder welcher Programmschritt folgen muss. Mit dieser ungewöhnlichen Art der Kundenansprache will Albrecht Metter, Mitgründer der ameria GmbH in Heidelberg, den Handel revolutionieren: „Die weltweite Nachfrage nach unserem Produkt ist hoch.“
Hohe Nachfrage bedeutet großen Kapitalbedarf für Produktion, Vertrieb und Service. Die Entwicklung des Prototyps sowie die Erprobung konnte die Firma aus eigener Tasche finanzieren, zur breiten Markteinführung aber fehlten die Mittel. Bei der Wahl des richtigen Finanzierungspartners prüfte Metter sorgfältig die Optionen. „Wir wollten keinen Mehrheitsgesellschafter an Bord holen, der rasch Kasse machen will“, formuliert der ameria-Geschäftsführer eine in kleinen und mittleren inhabergeführten Betrieben verbreitete Position. Also nutzte er eine stille Beteiligung der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg (MBG). Eine Million Euro steckte sie in das Unternehmen mit 70 Mitarbeitern. Darauf zahlt Metter einen Zins in Höhe des Kontokorrents, musste aber keine Firmenanteile abgeben. Zudem bleibt der Investor langfristig an Bord und mischt sich nicht ins operative Geschäft ein.
Für ambitionierte Expansionspläne müssen sich Mittelständler ohne hohes Eigenkapital verstärkt um Beteiligungskapital bemühen. „Steigt der Risikograd einer Investition, ist das Wachstum nur begrenzt mit Fremdkapital finanzierbar“, sagt Dirk Honold, Professor für Unternehmensfinanzierung an der Technischen Hochschule Nürnberg. Denn traditionelle Partner wie die Hausbank wollen solche Projekte oft nicht unterstützen, weil ihnen die damit verbundenen Risiken zu hoch sind. Also bleibt häufig nur Beteiligungskapital. Die Skepsis vieler Firmenchefs bei diesem Thema, die sich aus schlagzeilenträchtigen Fällen speist, hält er für unbegründet. „Die teils als Heuschrecken bezeichneten international agierenden Gesellschaften haben große Buy-outs finanziert, aber selten neues Geld in Unternehmen gesteckt.“ Interessante Partner sind dagegen Mittelstandsfinanziers, die sich langfristig engagieren. Sie bieten Mezzanine-Kapital in Form stiller Beteiligungen oder finanzieren als Minderheitsgesellschafter den Wachstumskurs mit echtem Eigenkapital.
An stille Beteiligung denken
Beteiligungskapital bieten neben öffentlich geförderten MBGs der Bundesländer auch spezielle, oft regionale Wachstumsfonds und Private-Equity-Gesellschaften. Sie verstehen die Mentalität der Firmen-inhaber, wollen etwa nicht immer die Anteilsmehrheit und die Führung im Betrieb. „Mittelständler bevorzugen Minderheitsbeteiligungen, da sie hier bestmögliche Wachstumsperspektiven bei noch bestehender Unternehmenskontrolle sehen“, so Professorin Ann-Kristin Achleitner, Leiterin des Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der TU München. So spricht der Investor nur bei der Strategie mit, nicht im Tagesgeschäft. Der Vorteil des offenen Beteiligungskapitals: Es zählt zum bilanziellen Eigenkapital und verbessert die Finanzkennzahlen (siehe Kasten).
Trotzdem wählen viele Mittelständler zur Wachstumsfinanzierung eher stille Beteiligungen. „Die sind beliebt, da sie nicht mit einer Veränderung der Anteilsverhältnisse einhergehen“, meint Peter Güllmann, Vorstandssprecher des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). „Sie haben eine fixe Laufzeit und sind gut planbar.“ Soll das Eigenkapital in der Bilanz mit der stillen Beteiligung gestärkt werden, hat das aber seinen Preis. „Wir bewegen uns bei den Zinsen im hohen einstelligen oder niedrigen zweistelligen Prozentbereich“, betont der BVK-Chef. „Auch die Mitspracherechte des Kapitalgebers steigen, je mehr Risiko er trägt.“
Vorsicht bei der Partnerwahl
Da sich Geldgeber bei Investitionsansatz, Haltedauer und Konditionen stark unterscheiden, ist die Wahl des richtigen Partners der Schlüssel zum Erfolg. MBGs steigen schon bei Summen ab 10.000 Euro ein und bleiben bis zu zehn Jahre an Bord. Private-Equity-Gesellschaften interessieren sich eher für Engagements ab einigen Millionen Euro und wollen früher mit Gewinn verkaufen. Vor allem, wenn sie bei institutionellen Anlegern oder am Kapitalmarkt Geld für einen Fonds eingesammelt haben, spielt das Ausstiegsdatum für ihre Investitionsentscheidung eine wichtige Rolle. Zudem müssen natürlich Unternehmen und Kapitalgeber an einem Strang ziehen sowie ihre Firmenkulturen zueinanderpassen.
Bei der Wahl von Beteiligungsart und Kapitalgeber und der Vertragsgestaltung sollten sich Unternehmer von Experten unterstützen lassen. „Verfügen Steuerberater über entsprechende Erfahrung, können sie eine wichtige Rolle einnehmen“, betont Professorin Achleitner ihre Bedeutung als Ratgeberin bei Finanzierungsentscheidungen. Firmenchefs können mit ihnen rechtliche und steuerliche Rahmenbedingungen, optimale Finanzierungsstrukturen sowie mögliche Ausstiegsszenarien besprechen. Das ist bei offenen Beteiligungen sehr wichtig, da der Private-Equity-Geber die Anteile nach einer gewissen Zeit verkaufen will. „Wie, wann und zu welchem Preis dies erfolgt, sollten die Partner im Vorfeld möglichst präzise vertraglich festlegen“, empfiehlt Professor Honold.
Wer bei der Wahl des Kapitalgebers und beim Aushandeln der Verträge sorgfältig vorgeht, wird mit einer echten Wachstumsperspektive belohnt. Joachim Kuhn etwa ist froh, gleich mehrere Finanziers an Bord zu haben, die sein Geschäft verstehen und die Internationalisierung der va-Q-Tec AG unterstützen. Die Würzburger Firma entwickelt und produziert Vakuumisolationspaneele für die Gebäudedämmung sowie thermische Verpackungen, die klein wie eine Schuhschachtel sind oder groß wie ein Flugcontainer. „Werke von Rembrandt und da Vinci fühlen sich in unseren Boxen wohl“, erzählt Kuhn, Vorstandsvorsitzender der nicht börsennotierten AG. „Sie nehmen ihr Klima mit auf die Reise.“ Temperatur und Feuchte sind genau auf die kostbare Fracht ausgelegt.
Spielregeln genau besprechen
Für den Aufbau des weltweiten Container-Leasing-Geschäfts in England nutzte va-Q-Tec eine stille Beteiligung der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft (BayBG) als Anschubfinanzierung. „Die weitere Internationalisierung sowie der Bau eines Werks in Thüringen ließen sich dann aber nicht mehr ohne Teilhaber stemmen“, so Kuhn. Mehrere Kapitalerhöhungen spülten acht Millionen Euro in die Kasse. Ein Londoner Investor hält jetzt 33 Prozent der Aktien. Mit zwei Prozent ist die BayBG noch als Minderheitsgesellschafter dabei. Die Spielregeln der Ehe auf Zeit haben die Partner im Vorfeld geklärt: „Wir haben die Unternehmensziele definiert und verschiedene Möglichkeiten für den Ausstieg der Geldgeber festgelegt“, sagt Kuhn. Bei wichtigen Entscheidungen reden die Investoren im Aufsichtsrat mit. „Über den Kurs waren wir uns aber bisher immer einig.“
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Quelle: TRIALOG, Das Unternehmermagazin Ihrer Berater und der DATEV, Herausgeber: DATEV eG, Nürnberg, Ausgabe 02/2016